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Erste Fachkräftestudie zeigt Jenaer Personal-Engpässe

14.06.2019

Wirtschaftsförderung Jena untersucht konkrete Bedarfe der lokalen Wirtschaft

Ausreichend und vor allem die richtigen Arbeitskräfte zu finden, bleibt die größte Herausforderung für die Jenaer Unternehmen von Handwerk bis High-Tech in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Besonders in der Gesundheitswirtschaft, im verarbeitenden Gewerbe und im IT-Bereich übersteigt der Personal-Bedarf das verfügbare „Potential“. Zu diesem Ergebnis kommt die erste Fachkräftestudie Jena, die die Wirtschaftsförderung Jena (JenaWirtschaft) gemeinsam mit dem Zentrum für Sozialforschung Halle e.V. (ZSH) veröffentlicht hat. Die Studie untersucht erstmals die personellen Ersatz- und Erweiterungsbedarfe der Jenaer Unternehmen hinsichtlich verschiedener Wachstumsszenarien und macht wichtige Kennziffern und Entwicklungen zum Bedarf der lokalen Wirtschaft sichtbar. Begleitet wurde dieser Prozess durch eine Lenkungsgruppe mit Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden sowie der Agentur für Arbeit.

Daten und Zahlen statt "Bauchgefühl"

„Unser Ziel war es, das allgemeine Bauchgefühl zum vielzitierten Fachkräftemangel mit konkreten Daten und Zahlen in Bezug auf den Standort Jena zu untersetzen“, erläutert JenaWirtschaft-Chef Wilfried Röpke. „Wir schaffen eine faktenbasierte Grundlage für die Fachkräfteherausforderung in Jena für kommunale Entscheidungsträger, die Verwaltung und unsere Kooperationspartner.“ Die erste Jenaer Fachkräftestudie untersucht, ausgehend vom aktuellen Status Quo und diversen Prognosen zur wirtschaftlichen und Bevölkerungsentwicklung am Standort, die Personalbedarfe der Jenaer Wirtschaft nach Branchen, Qualifikationsstrukturen und weiteren Faktoren bis zum Jahr 2030. Gleichzeitig werden diesen Bedarfen die „antizipierten endogenen und exogenen Arbeitskräftepotenziale gegenübergestellt“, wie es in der Untersuchung heißt. Es wird also geschaut, wo potentielle neue Arbeitnehmende herkommen könnten. Endogen – also aus dem „Inneren“ von Jena bzw. exogen, von außerhalb.

Hoher Fachkräftebedarf bis 2030

Und was bedeutet das für Jena? „Die Studie bestätigt, dass die starke Wachstumsphase der letzten Dekade nicht in dieser Form weitergeht“, so Röpke. „Auf uns kommt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine umfassende Verrentungswelle zu. Allein um diese zu kompensieren, brauchen die Jenaer Unternehmen bis 2030 rund 17.000 neue Beschäftigte“, so Röpke. Um das Wachstum am Standort weiter positiv gestalten zu können sind außerdem – je nach Wachstumsrate, die in der Studie mit einer niedrigen, mittleren und hohen Variante berücksichtigt wurde – rund 1.000 bis 7.000 neue Arbeitnehmende notwendig.“ Zu den nachgefragtesten Fachkräften zählen Menschen im Gesundheits- und Sozialbereich, im verarbeitenden Gewerbe und in der IT-Wirtschaft. Besonders wichtig für die lokale Wirtschaft: Personen mit klassischer Berufsausbildung. Laut Studie braucht Jena zu rund 53 Prozent Fachkräfte mit qualifizierendem Berufsschulabschluss. Der Teil der Menschen mit Hochschulabschluss am Gesamtbedarf beträgt rund 38,3 Prozent. Auch Fortbildungsabschlüsse wie Meister, Techniker, Fachwirte oder Poliere bleiben sehr wichtig mit 16,8 Prozent des Gesamtbedarfs. Rund 8,6 Prozent des Jenaer Bedarfs bis 2030 machen Arbeitskräfte ohne Berufsabschluss aus.

Und wo sollen diese Fachleute herkommen? „Die Bewertung der endogenen und exogenen Potentiale in der Studie ist sehr spannend“, resümiert Wilfried Röpke. Zum sogenannten endogenen Potential – also den Menschen vor Ort – zählen die Schulabgänger, Studierende und Absolventen der Hochschulen, innerbetriebliche Potentiale – also diejenigen, die bereits hier sind, langfristig zu binden – sowie Menschen, die bislang Teilzeit arbeiten oder arbeitslos sind. Das Fazit der Studie: das endogene Potential Jenas – laut Studie rund 7.840 Personen bis 2030 – reicht nicht aus, um die Fachkräftelücke zu schließen.

Und wie sieht es laut Fachkräftestudie bei den exogenen Potentialen, also Menschen von außerhalb aus? Die Zahl der Einpendelnden aus dem direkten Jenaer Umland wird aufgrund der demografischen Entwicklung rückläufig sein: 2018 lag der Jenaer Pendlersaldo – also die Differenz zwischen Ein- und Auspendelnden – bei einem Plus von rund 14.800 Personen. Die Studie prognostiziert, dass dieser Pendlersaldo bis 2030 in der mittleren Wachstumsvariante auf ein Plus von nur noch rund 12.970 Personen sinken wird, weil das Jenaer Umland in noch stärkerem Maße als die Stadt selbst vom demografischen Wandel betroffen sein wird. Da dieser Wandel ganz Deutschland betrifft, stellt auch der Zuzug aus anderen Regionen für Jena nur ein begrenztes Potential dar. Hier können laut Studie aber gute Lebens- und Arbeitsbedingungen mit einem Fokus auf die Familienfreundlichkeit vor Ort besonders interessant für Rückkehrende sein.

Internationalisierung wird wichtiges Handlungsfeld Jenas

Das wichtigste Potential für Jena ist laut den Fachleuten des Zentrums für Sozialforschung Halle die Außenwanderung, also der Zuzug ausländischer Fachkräfte.  ZSH-Geschäftsführerin Susanne Winge bestätigt Jena dafür gute Voraussetzungen: „Jena ist im Thüringer Vergleich schon relativ international aufgestellt. Wichtig ist aber, die Rahmenbedingungen für internationale Fachkräfte aktiv positiv zu gestalten und neben guten Arbeits- und Lebensbedingungen eine tatsächliche Willkommenskultur zu etablieren, die ein wirkliches Ankommen vor Ort und eine gelebte Integration gewährleistet.“ Derzeit arbeiten rund 3.500 internationale Fachkräfte in Jena; das Potential liege bei bis zu 10.600 Menschen bis 2030, so die Expertin.

Neben der umfassenden Analyse des Fachkräfte-Problems gibt die Studie auch eine Reihe von Handlungsempfehlungen vor. Ausgehend von diesen Empfehlungen erarbeitet die Wirtschaftsförderung Jena gemeinsam mit der Lenkungsgruppe zur Studie und der Jenaer Allianz für Fachkräfte bis Jahresende einen umfangreichen Maßnahmenkatalog. Neben einer strategischen Verortung des Themas soll es um konkrete lokale Lösungsangebote gehen. Lösungen, die dringend notwendig sind: Denn wie ausschlaggebend das Problem für den Standort Jena ist, bestätigt auch eine Unternehmensbefragung von JenaWirtschaft: Dort war gefragt worden, welche Herausforderung vor Ort das größte Wachstumshemmnis für die lokale Wirtschaft darstelle. Die meistgegebene Antwort, noch vor der Verfügbarkeit von Gewerbeflächen: Fehlende Fachkräfte.

vier Personen präsentieren eine Studie
Stellten die erste Fachkräftestudie vor: Wilfried Röpke und Ramona Scheiding (JenaWirtschaft) sowie Susanne Winge und Thomas Ketzmerick (ZfS) (v.l.)